Arbeitsintegration im Kanton Bern
Die Arbeitsintegration zielt darauf ab, erwerbslosen Menschen eine (Re-) Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Arbeitsintegration ist ein komplexes Feld mit diversen Zielgruppen und institutionellen Akteur*innen. Je nachdem zu welcher Gruppe eine erwerbslose Person zählt, gelten unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen, und andere Fachstellen und Organisationen sind für die Bereitstellung von Unterstützungsangeboten zuständig.
Im Kanton Bern stehen Angebote im Bereich Arbeitsintegration einerseits für sozialhilfeabhängige Personen zur Verfügung, das heisst für Menschen, die entweder Sozialhilfe oder Asylsozialhilfe beziehen. Andererseits gibt es Angebote für Personen, die durch die Arbeitslosenversicherung oder die Invalidenversicherung unterstützt werden.
Die in der Stadt Bern 2024 lancierte Charta für Arbeitsintegration ist eine Initiative verschiedener Akteur*innen im Bereich der Arbeitsintegration für die Zielgruppe der Sozialhilfe und Asylsozialhilfe beziehenden Personen. Die Charta soll Unternehmen motivieren, benachteiligten Menschen eine Chance zu geben, damit diese arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können.
Die unten zusammengefassten Schritte und Zielgruppen stellen eine Vereinfachung dar und sollen insbesondere der Orientierung in der Landschaft dienen.
Diese Zielgruppe umfasst Personen, die aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage staatliche Unterstützung in Form von finanzieller Sozialhilfe erhalten – ausbezahlt durch die jeweilige Wohnsitzgemeinde. Diese Unterstützung dient dazu, das Existenzminimum sicherzustellen. Sie umfasst finanzielle Mittel für grundlegende Lebensbedürfnisse wie Unterkunft, Ernährung, Kleidung und medizinische Versorgung. Anrecht auf kommunale Sozialhilfe haben nur Personen, bei denen nicht Dritte aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen für die Unterstützung aufkommen müssen (zum Beispiel Arbeitslosen- oder Invalidenversicherung).
Überproportional stark von der Sozialhilfe abhängig sind Personen mit einer Mehrfachbelastung. Dazu zählen unteranderem Personen ohne obligatorische Ausbildung, Personen mit Migrationshintergrund, sowie alleinerziehende Eltern, Kinder und alleinstehende Personen. Sie sind generell stärker von Armut betroffen oder armutsgefährdet als der Durchschnitt der Schweizer Bevölkerung und gelten daher als Risikogruppe.
Die Angebote der Arbeitsintegration für Klient*innen der kommunalen Sozialhilfe werden im Kanton Bern durch acht strategische Partnerorganisationen bereitgestellt und koordiniert. Dies geschieht im Rahmen des BIAS-Programms (Beschäftigungs- und Integrationsangebote der Sozialhilfe).
Weitere Informationen zu dieser Zielgruppe:
Personen, die sich gestützt auf das Asylgesetz in der Schweiz aufhalten und ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können, erhalten notwendige Sozialhilfeleistungen, sofern nicht Dritte aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen dafür aufkommen müssen. Anerkannte Flüchtlinge, die im Kanton Bern anspruchsberechtigt sind, erhalten grundsätzlich die gleichen Leistungen wie Schweizer Sozialhilfebeziehende. Vorläufig aufgenommene Personen ohne Flüchtlingsanerkennung erhalten im Kanton Bern eine tiefere Asylsozialhilfe. Abgewiesene Asylsuchende haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe und Integrationsleistungen, sondern erhalten nur Nothilfe zur Sicherung des Existenzminimums.
Für die Arbeitsintegration der anerkannten Flüchtlinge und vorläufig aufgenommenen Personen sind im Kanton Bern vier regionale Partner*innen in fünf Regionen zuständig.
Weitere Informationen zu dieser Zielgruppe:
Es handelt sich um Personen, die vor nicht allzu langer Zeit ihre Stelle verloren haben und noch durch die Arbeitslosenversicherung unterstützt werden. Bis zur Aussteuerung werden diese Personen durch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) unterstützt. Diese können die Klient*innen für Arbeitsmarktliche Massnahmen (AMM) unterschiedlichen Anbietenden zuweisen.
Weitere Informationen zu dieser Zielgruppe:
Für Arbeitgebende:Personen mit einer dauerhaften Arbeitseinschränkung von mindestens 40% werden mit einer IV-Rente unterstützt. Für die Unterstützung dieser Zielgruppe ist die IV-Stelle des Kantons Bern zuständig. Sie kann die Klient*innen Eingliederungsmassnahmen an unterschiedliche Anbietende zuweisen.
Weitere Informationen zu dieser Zielgruppe:
Informationsstelle AHV/IV
Zielgruppen:
Erklärungen zur Arbeitsintegration:
Gezielte Unterstützungsangebote, die der jeweiligen Situation der Teilnehmenden Rechnung tragen, können folgende Bereiche und Stufen betreffen:
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Soziale und gesundheitliche Stabilisierung und Förderung von grundlegenden Schlüsselkompetenzen, Schwerpunkt: Personen die bedingt arbeitsfähig sind. Ziel: Erreichen der Arbeitsfähigkeit
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Auf- und Ausbau von Grund-, Schlüssel- und/oder Fachkompetenzen, Schwerpunkt: Personen die arbeitsfähig aber noch nicht arbeitsmarktfähig sind Ziel: Erreichen der Arbeitsmarktfähigkeit
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Jobcoaching und Vermittlung Schwerpunkt: arbeits- und arbeitsmarktfähige Personen. Ziel: Integration in den Arbeitsmarkt
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Für Personen die nicht arbeitsmarktfähig, und nur bedingt arbeitsfähig sind:
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Beschäftigungseinsätze, bei welchen die Teilnehmenden profitieren hinsichtlich ihrer persönlichen und gesundheitlichen Stabilisierung, des Erhalt der vorhandenen Ressourcen dank einer Tagesstruktur und hinsichtlich des Trainings bzw. des Erwerbs von Schlüsselkompetenzen.
Für Personen die arbeitsfähig, aber (noch) nicht arbeitsmarktfähig sind:
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Praktikumsplätze/Praxiseinsätze in regionalen Unternehmen, Verwaltungen und Institutionen. Die Arbeitgebenden sind verpflichtet, die Teilnehmenden gemäss den Richtlinien der kantonalen Arbeitsmarktkommission (KAMKO) oder gemäss OR zu entlöhnen.
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Bildungs- und Qualifizierungseinsätze (Aufbau): Diese umfassen ein begleitetes Arbeitstraining sowie den Aufbau und Erwerb von Grund-, Schlüssel- und/oder Fachkompetenzen. Diese Einsätze können entweder im ersten Arbeitsmarkt oder im Rahmen von Betrieben des zweiten/ergänzenden Arbeitsmarkts stattfinden. Je nach Ressourcen und Berufsziel der Teilnehmenden sind Bildungs- und Qualifizierungseinsätze im Bereich von niederschwelligen Tätigkeiten bis hin zu anspruchsvoller Facharbeit möglich.
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Nutzung der verbleibenden Arbeitsfähigkeit durch leistungsangepasste berufliche Integration (Teillohnstellen, Kurzjobs etc.).
Für arbeits- und arbeitsmarktfähige Personen:
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Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt durch Unterstützung bei der Stellensuche und der direkten Stellenvermittlung mit dem Ziel der nachhaltigen beruflichen Integration.a
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Teillohnmodell:
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Das Teillohnmodell von jobtimal.ch , Verein für Arbeitsintegration, zielt darauf ab, arbeitsfähigen, aber gesundheitlich eingeschränkten Sozialhilfeempfänger*innen eine berufliche und soziale Integration zu ermöglichen. Zur Zielgruppe zählen Personen, die meist älter als 25 sind und gesundheitliche (körperliche, geistige oder psychische) Leistungseinschränkungen aber keinen Anspruch auf eine IV-(Teil)Rente haben. Diese Personen arbeiten in Unternehmen und Erhalten einen Teil-Lohn, ergänzt durch Sozialhilfe. Die Lohnhöhe richtet sich nach der erbrachten Leistung und üblichen Standards. Das Angebot unterstützt sowohl die Arbeitnehmenden als auch die Betriebe während des Integrationsprozesses und stellt bei Bedarf Begleitung und Beratung bereit.
Einarbeitungszuschüsse/Finanzierungszuschüsse (EAZ/ FIZU)
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Zur Abfederung des Zusatzaufwands, der durch die Anstellung einer Person aus der Arbeitsintegration anfällt, stehen unter gewissen Bedingungen finanzielle Beiträge wie Einarbeitungszuschüsse (EAZ) oder Finanzierungszuschüsse (FIZU) zur Verfügung. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist eine Zusammenarbeit der Arbeitgebenden mit den Anbietenden von Arbeitsintegrationsmassnahmen.
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Das Brückenangebot Motivationssemester (SEMO) umfasst Arbeit, Bildung und Coaching.
Das Programm ermöglicht eine individuelle Begleitung. Die Teilnehmenden entwickeln relevante Schlüsselkompetenzen für den Einstieg in eine berufliche Grundbildung. Das Angebot richtet sich an:
• Schulabgänger*innen, die bei der Lehrstellensuche Unterstützung benötigen
• Lehrabbrecher*innen
• Junge Erwachsene mit unklaren Berufsperspektiven
• Junge Menschen, die für den direkten Berufseinstieg noch nicht bereit sind
Die jungen Erwachsenen entwickeln während des Motivationssemesters eine realistische Berufsperspektive, schliessen Bildungslücken und erwerben praktische Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt. Sie lernen Bewerbungstechniken und arbeiten an ihren Sozialkompetenzen. Sie werden individuell gefördert und bei der Suche nach einer Lehrstelle begleitet.
Glossar
Berufliche und soziale Integration gehören zu den Kernaufgaben der Sozialhilfe. Beide Begriffe bezeichnen sowohl einen Prozess als auch einen angestrebten Endzustand. Berufliche und soziale Integration sind nicht statisch, sondern verändern sich fortlaufend und beeinflussen sich gegenseitig.
Unter beruflicher Integration wird hier eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt verstanden – beziehungsweise der Prozess, den Zugang einer Person zum ersten Arbeitsmarkt zu verbessern. Massnahmen der beruflichen Integration im Rahmen der Sozialhilfe umfassen nicht nur die Unterstützung bei der Stellensuche, sondern alle Massnahmen, die zu einer Verbesserung der Arbeitsmarktchancen einer Person beitragen. Dazu gehören namentlich auch die Förderung von Kompetenzen sowie die Verbesserung der Vermittlungsfähigkeit.
Unter sozialer Integration wird hier die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe verstanden – beziehungsweise der Prozess, die Teilhabe einer Person am gesellschaftlichen Leben zu verbessern. Angebote der sozialen Integration im Rahmen der Sozialhilfe bieten den Teilnehmenden eine Beschäftigung oder eine Tagesstruktur. Damit tragen sie zu einer Stabilisierung der persönlichen Situation bei und reduzieren die negativen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit.Arbeitsintegration ist der Überbegriff für alle Massnahmen, die eine Integration mittels Arbeit anstreben. Massnahmen der Arbeitsintegration können sowohl die berufliche als auch die soziale Integration zum Ziel haben und sowohl im ersten als auch im zweiten Arbeitsmarkt angesiedelt sein.
Unter dem ersten Arbeitsmarkt wird der reguläre Arbeitsmarkt mit bezahlten Anstellungen verstanden. Unter dem zweiten Arbeitsmarkt wird ein staatlich geförderter Arbeitsmarkt mit geschützten Arbeitsplätzen verstanden. Der zweite Arbeitsmarkt vermittelt Beschäftigungsmöglichkeiten und ermöglicht es Personen, die (kurz- oder langfristig) keine Chance auf eine Anstellung im ersten Arbeitsmarkt haben, trotzdem eine berufliche Tätigkeit auszuüben und/oder ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu verbessern. Einsatzmöglichkeiten im zweiten Arbeitsmarkt werden einerseits zur Förderung der beruflichen Integration genutzt (Vorbereitung auf eine Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt), andererseits als Massnahme zur sozialen Integration (Beschäftigung).
Arbeitsmarktfähigkeit bezeichnet die reellen Arbeitsmarktchancen einer Person. Sie wird verstanden als Fähigkeit, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden und zu halten. Die Arbeitsmarktfähigkeit einer Person hängt sowohl von der Arbeitsmarktlage (Nachfrage) als auch von den individuellen Voraussetzungen der Person ab. Zu den individuellen Voraussetzungen zählen einerseits persönliche Eigenschaften, insbesondere auch Kompetenzen und Qualifikationen einer Person. Andererseits gehört dazu die grundsätzliche Vermittlungsfähigkeit der Person. Vermittlungsfähig ist eine Person dann, wenn sie bereit, in der Lage sowie berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen.
Vermittlungsfähigkeit bedingt erstens Vermittlungsbereitschaft (Bereitschaft zur Annahme einer Arbeitsstelle), zweitens Arbeitsfähigkeit und drittens das Vorliegen einer Arbeitsberechtigung.
Arbeitsfähigkeit bedingt einerseits körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, andererseits aber auch örtliche und zeitliche Verfügbarkeit.
Grundkompetenzen umfassen Lesen und Schreiben, die mündliche Ausdrucksfähigkeit in einer lokalen Landessprache, Alltagsmathematik, das Beherrschen von Informations- und Kommunikationstechnologien sowie eine grundsätzliche Lernfähigkeit. Wie der Name sagt, bilden Grundkompetenzen die Basis für den Aufbau aller weiteren Kompetenzen. Das Vorhandensein von Grundkompetenzen ist deshalb eine zwingende Voraussetzung für eine weiterführende Bildung oder Qualifizierung.
Alltagskompetenzen sind erforderlich für eine erfolgreiche Bewältigung des persönlichen Alltags. Dazu gehören zum Beispiel: die Bewältigung administrativer Aufgaben, der Umgang mit Geld oder das Führen eines eigenen Haushalts. Viele Personen, die durch die Sozialhilfe unterstützt werden, verfügen über eingeschränkte Alltagskompetenzen. Dies hat auch negative Folgen für die Chancen auf eine erfolgreiche berufliche und soziale Integration.
Arbeitsmarktliche Schlüsselkompetenzen sind zentral zur Bewältigung der allgemeinen Herausforderungen des beruflichen Alltags. Darunter fallen beispielsweise: Flexibilität, Planungs- und Organisationsfähigkeit, Lösungs- und Entscheidungsfähigkeit; Eigeninitiative, Eigenverantwortung, Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Ausdauer, Belastbarkeit, Kreativität, Selbständigkeit und Kritikfähigkeit; Kommunikation, Kooperation, Konfliktfähigkeit, Höflichkeit, Toleranz.
Unter Fachkompetenz wird die Fähigkeit verstanden, berufstypische Aufgaben gemäss den theoretischen und praktischen Anforderungen des Berufsfelds lösen zu können.
Arbeitsmarktliche Kompetenzen
Im Alltag der Arbeitsintegration werden Grundkompetenzen, arbeitsmarktliche Schlüsselkompetenzen und Fachkompetenzen teilweise vereinfachend als arbeitsmarktliche Kompetenzen zusammengefasst. Mit dem Begriff sind also diejenigen Kompetenzen gemeint, die nötig sind, um auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden und zu halten.